Neuauflage von Raumpatrouille Orion geplant – Ein ganz heißes (Bügel-)Eisen

Am 17. September des Jahres 1966, als die Amerikaner bereits eine Woche zuvor in den Genuss der ersten Folge Star Trek gekommen waren, öffnete sich auch für die westdeutschen Fernsehzuschauer zur besten Sendezeit um 20.15 Uhr nach der Tagesschau der Blick in einen fiktionalen Weltraum. Von den Bavaria Studios entwickelt hob das Raumschiff Orion in schwarz-weiß, jedoch mit wenig narrativen Zwischentönen, alle zwei Wochen aus seiner Unterseebasis ab und wurde unter der Führung seines Captains Cliff Allister McLane in bis dahin noch nie gesehene Abenteuer geführt.

Was heute noch wie ein Märchen klingt…

Raumpatrouille Orion war und ist ein Meilenstein der deutschen Fernsehgeschichte, der jedoch nach sieben Episoden endete und keineswegs etwas im behäbigen und innovationsfeindlichen deutschen Fernseh-Geschehen angestoßen hätte. Es scheint fast so, als ob einzig die Dynamik der richtigen Leute am richtigen Ort und eine gute Portion Zeitgeist im Höhenflug des Space Age diesen medialen Zufall möglich machten, dessen Entstehen unter anderen Umständen, vorher wie nachher, undenkbar blieb.

Während man in den USA eine Serie wie Star Trek an den Start brachte, die durch ihre Fanbasis vor einem verfrühten Absetzen gerettet wurde und über Jahrzehnte der ihr innewohnenden Geist am Leben erhielt, verpuffte in Deutschland der Effekt des Fantastischen, obwohl jede Folge ein Straßenfeger (für die U40er: Blockbuster) mit Einschaltquoten von bis zu 56 % war.

Mehrere Faktoren spielten zusammen, warum es nie zu einer Fortsetzung kam unter anderem der zu militaristische Unterton der Handlung, der eher nicht dem Mindset der Nachkriegsgeneration entsprach und die Entscheidung es in schwarz-weiß zu drehen, welche eine Vermarktung an andere Fernsehanstalten weltweit erschwerte, da das Farbfernsehen bereits seinen Siegeszug angetreten hatte.

Der Hauptgrund, warum die „Phantastischen Abenteuer des Raumschiffs Orion“ nicht fortgesetzt wurden, wird aber wohl das Budget gewesen sein. Jede Folge kostete 485.000 D-Mark, was heute gut einer Million Euro entspräche und damit in einem ähnlichen Bereich wie die Produktion einer der damaligen Star Trek Episoden lag. Nur wurden hier 79 Folgen gedreht.

Für die Bavaria waren unter diesen Umständen gerade mal sieben Folgen möglich. Aber Limitierungen befördern ja auch die Kreativität und vieles von dem, was man bis heute noch von dieser Serie visuell in Erinnerung hat und von den Fans zunehmend nostalgisch verklärt wird, wird wohl auch den finanziellen Beschränkungen geschuldet sein. Im Set verbaute Haushaltsgeräte (JA, AUCH DAS BÜGELEISEN!) und die visuellen Effekte der Serie, die sich heute wie eine ultimative Werkschau der analog möglichen Spezial-Effekte präsentieren zeugen vom Ideenreichtum mit eingeschränkten Mitteln.

Und während das Star Trek Universum spätestens seit seinem Relaunch in den 80ern expandierte und uns bis ins frühe 21. Jahrhundert ununterbrochen (!) mit neuen Serienkonzepten und einer Fortschreibung seines eigenen Mythos begleitete gab es in Deutschland bis dato auf diesem Gebiet nur narrative Wüsten, Rohrkrepierer und Peinlichkeiten. Wie zum Beispiel die unsägliche „Raumpatrouille Orion – Rücksturz ins Kino“-Verballhornung der alten Folgen von 2003, der dem anspruchslosen Publikum als Film verkauft wurde.

Rücksturz in die Realität

Und hier zeigt sich auch die ganze Misere, der es eigentlich einer wissenschaftlichen Arbeit bedarf (gibt es sie vielleicht?): Das gestörte Verhältnis der Deutschen zu fiktionalen Narrativen. Raumpatrouille Orion war erfolgreich, weil es zu dem Zeitpunkt seiner Erstausstrahlung einfach anders war und einen Zeitgeist reflektierte. Für einen kurzen Moment in der Geschichte waren Produzenten und Zuschauer bereit einer halbwegs progressiven Idee eine Chance zu geben, zu einer Zeit, als absehbar war, dass die ersten Menschen zum Mond flogen, dass die Zukunft viele fantastische, glänzende Dinge für alle bereit hielt (auch wenn sie nur aus neuen Kunststoffen waren), wo man doch gefühlt gerade noch hungernd in den Trümmern seines Landes saß und nun eine neue Perspektive aufgezeigt bekam, wie das Leben im Jahr 3000 (!) aussehen könnte. Was für ein mentaler Sprung in einer Generation, der sich hier manifestierte!

Doch die Zeit schritt voran und die 70er brachten neue Realitäten, holten die Leute zurück auf die Erde, sei es die Erdölkrise, der Terrorismus oder das aufkommende Bewusstsein für die Fragilität unseres Planeten, der sich bedroht sah durch die damals schon bekannte Tatsache des Klimawandels oder des jederzeit möglichen atomaren Overkills. Aus Utopien wurden Dystopien, was sich auch in der Science Fiction dieser Zeit widerspiegelt.

Wenn man in die Medienlandschaft zurückschaut, gerade hier in Deutschland der 70er/80er Jahre, dann kann man beobachten, wie sauertöpfisch-überintellektualisiert und spaßlos die Fragen der Zeit debattiert wurden. Es wurde verkniffen grantig verhandelt was war und was ist, nicht was sein könnte. Das mag seine Berechtigung gehabt haben, jedoch hat dieser Zeitgeist über Jahrzehnte auch die Möglichkeiten von fantastischen Erzählungen verengt bis unmöglich gemacht.

Derweil die Amerikaner im Grunde nie ihren (wenn auch naiven) Anspruch verloren haben immer weiter Richtung Westen (= Zukunft) zu ziehen, von nichts anderem leitet sich Star Trek ja ab, um entsprechend in unerforschte fantastische Areale der Erzählung vorzudringen wurde in Deutschland das fiktionale Narrativ in gewissen Kreisen nur akzeptiert, wenn es einen aktuellen Missstand thematisierte. Alles was zu unterhaltsamer Leichtigkeit animierte wurde naserümpfend als niveaulos, Schund oder Kinderkram deklariert. Welcher ernstzunehmende Autor wollte in diesem Klima schon ein solches Genre bearbeiten, wenn er von der muffigen Strickpullunder-Bürokratie der öffentlich-rechtlichen Anstalten jener Zeit abhängig war?

Das Schicksal der Raumpatrouille war es, zu einer nostalgischen Singularität in der deutschen Fernsehlandschaft zu werden, von den pseudointellektuellen Zeitgenossen zunehmend als kurios-naives Stück einer vergangenen Zeit betrachtet, dass höchstens noch für einen Bügeleisenwitz gut ist. Und je mehr Zeit ins Land ging desto mehr verklärte sich der Blick derjenigen, die sich für Fantastisches begeistern konnten, auf dieses kreative Kleinod der Science-Fiction, welches sich ob seines Alleinstellungsmerkmals bei manchen zu einer Art heiligem Gral deutschen Serienschaffens entwickelte.

… dies ist ein Märchen von übermorgen

Zeitsprung in die mediale Gegenwart. Menschen des 21. Jahrhunderts haben vielleicht noch nie von diesem „Juwel“ des deutschen Fernsehens gehört, welches ihre Großeltern-Generation der Welt geschenkt haben. Manche haben eventuell nicht mal vom linearen deutschen Fernsehen gehört. Seit Streaming-Services verfügbar sind haben sich auch die Sehgewohnheiten der nachwachsenden Generationen maßgeblich verändert. Nachdem Science-Fiction- und Fantasy-Nerdtum in den letzten 20 Jahren salonfähig geworden sind, gab es eine regelrechte kambrische Explosion des Fantastischen Genres.

Star Trek zum Beispiel mit mittlerweile 10 TV-Serien und zwei neuen in der Vorproduktionsphase erlebt ein zweites goldenes Zeitalter, Star Wars findet auch 44 Jahre nach dem ersten Film mit seinen neuen Ablegern im Streaming-Angebot ebenfalls immer mehr neue Fans und erweitert sein Universum stetig. Großartige Hard-SF-Produktionen, wie „The Expanse“ konnten von Jeff Bezos Gnaden und den finanziellen Mitteln Amazon Primes einen Goldstandard für die die Art, wie Science Fiction erzählt wird, definieren. Dem vorausgegangen, in der noch Prä-Streaming-Ära der 2000er, war es die Erfolgsserie Battlestar Galactica, welche gezeigt hat wie man aus einer cheesy „Disko-im-Weltraum“-Serie der 70er Jahre ein starkes Remake mit staffelübergreifender Handlung und Charakterentwicklung machen kann.

Die gesamte Unterhaltungs-Industrie, diese stetig im Wandel begriffene Traumfabrik, ist bereit astronomische Milliardensummen auf diesen Markt zu werfen und immer neuen Content zu produzieren, sei es neu oder neu interpretiert. Die Pandemie hat den Bedarf nach neuen Geschichten nur noch befeuert; viele Menschen haben mehr Zeit für Serien und haben verinnerlicht, wie gut gemachte Serien aufgebaut sein müssen.

In diesem Markt will die Bavaria Fiction nun auch mit einer Neuauflage der Raumpatrouille Orion mitmischen, wie sich aus dem Variety Artikel vom 02. März entnehmen lässt.

Volker Engel dessen Referenzen insbesondere seine Arbeit als Visual Effects Supervisor bei Emmerich-Produktionen („Independence Day“ (1996/2016), „2012 – Das Ende der Welt“ (2009)) sind, sowie seine Frau Gesa Engel als Produzenten, zeichnen sich für die Neuauflage verantwortlich. Ihre Entwicklungsfirma Uncharted Territory wird zusammen mit Rise Studios die Realisierung dieses Projekts vornehmen, welches einfach nur noch „Orion“ heißen wird.

Viel weiß man noch nicht über die Handlung, außer, dass es wohl auch eine Art ‚Next Generation‘ wird. Was man sonst noch aus dem Artikel zum Inhalt entnehmen kann, lässt aufhorchen:

„Orion“ präsentiert eine vom Klimawandel verwüstete Welt, in der sich die neuen Rekruten des alten Raumkreuzers Orion – darunter eine weibliche Kampfpilotin aus einer Flüchtlingsfamilie und der Enkel des mittlerweile legendären ehemaligen Commanders McLane – während des Trainings zusammenschließen müssen und plötzlich Ziele in einem rücksichtslosen Krieg um Ressourcen von fernen Planeten werden.

Dystopie oder Solarpunk?

Einerseits ist es ein gutes Zeichen, dass man sich heranwagt eine originäre Idee neu auszuarbeiten. Es zeigt doch, dass man sich auch in Deutschland nach internationalen Erfolgen der letzte Zeit (hauptsächlich für Netflix produziert) wieder traut groß zu denken, über den kleinen Tellerrand gegenwärtiger Geschichten hinweg.

Raumpatrouille Orion birgt großartiges Potenzial dafür, selbst wenn es ein Remake gewesen wäre mit denselben Charakteren in neuer Besetzung. Wieviel vielschichtiger hätte man schon den etwas rebellischen McLane darstellen können, oder die im Kontrast dazu stehende linientreue Tamara Jagellovsk und ihre Beziehung zueinander? Aber sei’s drum, man versucht weiter zu gehen und neue Charaktere aufzubauen, was legitim ist. Das Erbe des Originals wiegt dann vielleicht doch zu schwer.

Andererseits aber denke ich, passiert hier genau das, was ich oben beschrieben habe: Man kann in Deutschland keine Science Fiction Serie machen, ohne auf eine Gegenwartsproblematik zu referenzieren. Klimawandel? Wirklich? Wie beschränkt ist der Ansatz der Autoren?

Meines Wissens nach spielt die Original-Serie im 31. Jahrhundert. Die Menschen fliegen mit physikalisch unzulässigen Geschwindigkeiten durch den Weltraum und da soll der heute gemachte Klimawandel noch eine Rolle spielen? Selbst wenn die Menschheit dann noch existiert und sich angemessen weiter entwickelt haben sollten, sollten die Auswirkungen der Klimakatastrophe rein technisch schon revidierbar sein.

„Wir werden das Thema erhöhter Wasserstände aus der Originalserie noch einen Schritt weiter behandeln und die tatsächlichen Auswirkungen des Klimawandels aufzeigen“, wird Volker Engel in dem Artikel zitiert. „In unseren Geschichten wollen wir dafür werben, dass Umweltschutz in Zukunft nicht nur eine Frage der Politik ist, sondern das einzige Mittel, um das Überleben der Menschheit zu garantieren. Wir würden gerne glauben, dass es aus einem bestimmten Grund Science-Fiction heißt.“

Dass Herr Engel schon hier ein einem grundsätzlichen Missverständnis unterliegt, oder es einfach so ummünzt, dass es ihm in sein Umweltbedenken-Narrativ passt, sagt schon einiges aus. Die Menschen in Raumpatrouille Orion leben garantiert nicht in Anlagen unter Wasser aufgrund eines Meeresanstiegs (von dem damals keiner was wusste), sondern erstens einfach, weil sie es technisch können und wollen und zweitens weil die meisten Gebiete der Erde ein einziger Nationalpark sind. Also eine völlig andere Aussage mit einem wesentlich positiveren Ansatz. Und inwiefern ist der Kampf ums Überleben der Menschheit noch ein Thema, wenn ich etliche erdgleiche Planeten besiedeln kann?

Wenn er wirklich für eine bessere Zukunft werben wollte, in der die Menschen die Not und das Elend und den Mangel überwunden haben (so wie in Star Trek(!)), dann zeig es mir verdammt nochmal, genau so optimistisch, wie man in den 60ern von der Zukunft träumte. Gib mir Solarpunk und nicht ein sorgenvolles Remake, dass (mal wieder) belehrend den Finger hebt, um irgendwie gesellschaftlich relevant zu wirken. Ich brauche keine Lindenstraße im Weltraum.

„The Expanse“ zeitlich im 24. Jahrhundert angelegt hat zum Beispiel nicht den Anspruch ein rosige Zukunft zu zeigen. Hier gehört der Klimawandel zur alltäglichen Realität, vor dem sich die Küstenstädte abschotten müssen. Aber es wird nicht explizit thematisiert, es ist einfach die Welt in der die Charaktere leben. Und unter anderem deswegen ödet einen „The Expanse“ auch nicht an.

Und die Thematisierung einer Flüchtlingsfamilie im Zusammenhang mit Orion kann hoffentlich nur bedeuten, geflüchtet von einem anderen Planeten zur Erde, oder vice versa. Alles andere wäre absurd.

Bei so einer Zusammenfassung des neuen Plots direkt mit solchen Trigger-Worten wie Klimawandel und Flüchtlingsfamilie zu arbeiten kann ich auch nur als Berechnung werten. Die Orion-Fans der ersten Stunde, sowie diverse Wutbürger-Troglodyten, welche aufgrund des Alters bestimmt schon große Schnittmengen haben, bekommen spätestens hier Puls und Schnappatmung. Und wenn jetzt auch noch Frauen mehr als nur Haarteil-Ständer in der Serie sind und eventuell auch People of Color mitspielen (was ich schwer hoffe!), dann implodieren aber einige Köpfe.

Das Feuer bewahren und nicht die Asche anbeten

Grundsätzlich wünsche ich dem Projekt viel Erfolg und dass es ein weiterer Meilenstein in der deutschen Science Fiction Geschichte wird, der zukünftigen Produktionen dieser Art den Weg bereitet. Nur gilt zu bedenken, dass viele andere Produktionen massiv vorgelegt haben, während man sich in Deutschland den Luxus von 55 Jahren erzählerischem Ödland geleistet hat. Und an dieser verpassten Entwicklung muss sich die neue Serie messen lassen.

Wenn sie es richtig machen wollen, dann zeigen sie uns eine Zukunft der Menschheit, die erstrebenswert ist, mit Technologien, wie man sie noch nie gesehen hat. Einer (möglichst) friedlichen Gesellschaft, die alten Ballast überwunden hat und niemanden ausgrenzt. Aber bitte nicht so bedenkenträgermäßig oder identitätspolitisch on the nose. Das ist nämlich mittlerweile gelernt in den Köpfen der Zuschauer, die sich gerne mit positiven Zukünften auseinandersetzen.

Und wenn es die Frogs auch wieder gibt, wäre es interessant sie zu echten Wesen zu machen, mit denen man sich auch argumentativ und nicht nur mit der Laserkanone auseinandersetzen kann und muss.

Das beste, was eine neue Orion-Serie machen kann ist ein Feuer zu entfachen, dass einem ermöglicht an eine bessere Welt zu glauben und dafür zu arbeiten, dass sie auch so werden könnte und das Bügeleisen endlich hinter sich zu lassen.