LGBTQ-Serien Special Teil 1 – Please Like Me

Der nächste Lockdown bleibt lang und dunkel. Also genau die richtige Zeit einmal einen Blick in die unendlichen Weiten der Streaming-Angebote zu werfen und die kleinen queeren Juwelen zu beleuchten, die nur wenige kennen.

Zu diesen gehört definitiv „Please Like Me“ auf Netflix. Diese Serie bestehend aus vier Staffeln (2013-2017) wurde von dem australischen Stand-Up Comedian Josh Thomas entwickelt. Er spielt auch die Hauptrolle (einfacherweise ebenfalls Josh benannt) und hat bei einigen der Folgen Regie geführt und hauptsächlich die Drehbücher geschrieben.

Der Cast

Die Serie behandelt zuvorderst das schwule Erwachen von Josh, nachdem seine langjährige Freundin Claire mit ihm Schluss macht und ihm in aller Freundschaft nahgelegt, zu seiner Homosexualität zu stehen. Eine Idee, die ihm anscheinend so noch nicht gekommen war, welche er aber trotzdem bald schon in die Tat umsetzt und am selben Abend unverhofft noch Geoffrey, den Arbeitskollegen von seinem besten Freund und Mitbewohner Tom, im Bett liegen hat.

Tom (Thomas Ward) ist zwar sympathisch aber eher ein Schluffi, der bei seinen Beziehungen zu Frauen nicht immer die besten Entscheidungen trifft und weitestgehend sehr konfliktscheu ist. Er fungiert sozusagen als der ruhige Gegenpol zu der oftmals hektischen und schnatterigen Art von Josh.

Zusammen leben sie in einem kleinen Bungalow in Melbourne, welcher Joshs Vater Alan gehört und der ihn an die beiden vermietet. Alan ist der Inbegriff (fast schon eine Persiflage) des überbesorgten Boomer-Daddies, immer einen vermeintlich wichtigen Lebensrat zur Hand oder ein mahnendes Wort und immer auch ein bisschen enttäuscht von seinem Sohn. Er lebt zusammen mit seiner thailändischen Freundin Mae, die nie ein Blatt vor den Mund nimmt und abseits ihrer oftmals aufbrausenden Resolutheit noch die vernünftigste Charaktere in dem Ensemble ist.

Joshs Mutter Rose, leidet an einer bipolaren Störung mit suizidalen Tendenzen, weswegen ihr zu Beginn der Serie auch ein Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik nahegelegt wird. Neben Joshs Liebesleben ist die Beziehung zu seiner Mutter und der Umgang mit ihrer psychischen Krankheit das weitere große Thema dieser Serie.
Ab der zweiten Staffel kommt noch die konstant mürrische Hannah (Hannah Gadsby) hinzu, die zwar auch von ihren eigenen psychischen Dämonen geplagt wird, jedoch immer gut ist für einen trockene Pointe.

Neben Geoffrey in der ersten Staffel und einigen kleineren Affären zwischendurch ist noch Arnold als Love Interest von größerer Bedeutung, hat Josh mit ihm doch die durchgehend längste, wenn auch nicht unkomplizierteste Beziehung. Insgesamt hat Josh Thomas sich für seine Lover immer auffallend hübsche junge Männer gecastet. Er thematisiert dies auch in Bezug auf sich selbst, da er sich nicht im herkömmlichen Sinne als attraktiv ansieht.

Warum es so toll ist

Es ist schwer den Finger darauf zu legen, was die Faszination an der Serie ausmacht. Die Mischung aus Comedy und tiefernsten Problemen, zwischen Liebesleben und psychischen Krankheiten, getragen von einem Cast, dem man die echten freundschaftlichen Bande von Anfang an anmerkt, lassen einen sich direkt in die Charaktere einfühlen. Josh Thomas scheut auch nicht davor zurück wirklich traumatische Handlungen einzubauen. Die zweite Staffel ist in dieser Hinsicht recht intensiv, soweit, dass in einer Folge gleich mehrere Personen in der Krise sind, aus Gründen der Zurückweisung, aufgrund von sexuellen Missbrauch, bis zu Midlife Crisis und Selbstmord.

Es zeigt sich hier auch, dass keine der Charaktere nur Staffage ist, sondern jeder seine Geschichte hat, seine Komplexe und Gefühle und wie im echten Leben eben durch Zufall (oder genetischer Abstammung) irgendwie in einem Boot sitzen und das beste draus zu machen versuchen.

Dadurch, dass Josh Thomas auch viele Themen aus seinem Stand-Up-Programmen unterbringt, wird das ganze aber durchaus liebevoll humoristisch aufgelockert. Denn oftmals ist der Absurdität der Existenz zwischen Liebe, Leid und Tod eben nur mit Humor beizukommen. Und da ist die Sichtweise eines schwulen, atheistischen Außenseiters sehr gut geschaffen, um dies in Szene zu setzen.

Außerdem geht es in der Serie auch um Essen (fast immer ist der Episodenname ein Gericht oder Lebensmittel), es wird viel gekocht (und auch mal gesungen). Ab einem bestimmten Zeitpunkt versucht Josh sich auch als Patissier. Eine bezeichnende Szene, die die Mischung aus Essen, Musik und Tod zusammenbringt, ist das Ständchen an Adele, dem Huhn, welches für ein Abendessen sterben musste und dem mit „Someone Like You“ die letzte Ehre erwiesen wird:

Nach vier Staffeln und vielen guten wie schlechten Ereignissen, sowie einigen wirklich starken Episoden wünscht man sich als Zuschauer, dass diese Freundschaften hoffentlich so bleiben werden und weiß doch um die Vergänglichkeit, dieser mehr oder weniger unbeschwerten Zeit Anfang 20, wo noch alles so offen scheint. Und daher fühlt man am Ende eine Wehmut, als ob man Freunde verlassen muss, die in einen neuen Lebensabschnitt treten. Es gibt Serien, bei denen man durch den Realismus und die Nahbarkeit von seinem eigenen Sofa auf das der Protagonisten teleportiert wird, da ein Teil von einem selbst mit der Handlung resoniert. Dies ist eine solche Serie.

Josh Thomas hat mittlerweile ein neues Projekt. „Everything’s Gonna Be Okay“ ist eine US-Serie, in der er der Vormund seiner Geschwister wird, nachdem der Vater gestorben ist. Bisher auf keinem legalen Wege in Deutschland erhältlich, kann ich nichts darüber sagen, ich kann mir aber vorstellen, dass er auch hier die wichtigen Themen des Lebens wieder bedacht und witzig behandelt.